Texte

Frühlingserwachen

Anfang April in Reudnitz, Leipzig. Gegen Nachmittag.

Über den Frühlingstag hat sich ein ausgewaschenes Weiß gelegt, gegen das die Latino-Beats aus der JBL-Bluetooth-Box unverdrossen akustische Farbtupfer feuert.
Havana in Reudnitz. Aber die Sonne hat Kuba nicht verlassen.

Drei Jungs, Anfang Zwanzig, sitzen um einen kleinen Kugelgrill ohne Deckel. Der eine, lässig den Schirm seiner Truckerkäppi in den Nacken justiert, fläzt sich mit seinen Baggy-Pants im aufgeklappten Camping-Stuhl. In der Rechten ein Bier. Er ist der lustige Checker. Die beiden anderen gehören zum Typ bärtiger Rugbyspieler, knuffig aber harmlos – und Brilletragender Nerd. Anwesend, mehr nicht.
Ihnen gegenüber haben sich vier Mädchen auf einer Picknickdecke gruppiert und überlassen das Feuer dem Patriarchat.
Typ Nummer Vier (weil vier Jungs, vier Mädels), der gut-aussehende, auf den heimlich alle wahlweise stehen oder ein bisschen neidisch sind, der wird erst noch dazu stoßen. Dann ist das Abziehbild vollständig.
Etwas rechts davon, am Baumstamm lehnend, blättert eine junge Frau in ihrem Buch und über die Wiesen des Lene-Voigt-Parks weht ein Hauch College-Komödie.

„Thomas, gib das nicht für Bier aus!“, ruft ein Halbstarker zwei Parkbänke neben mir einem Bettler in Winterjacke hinterher.
„Nur für Essen, Wasser und Wohnung und so,“ ergänzt sein Sitznachbar. Ein dritter im Bund nickt eifrig.
„Dann muss ich das aber ver60ig-fachen“, schaut Thomas auf die paar kleinen Münzen in seiner Hand und trottet aus dem Park.

Die Steaks auf dem Grill sind mittlerweile gar. Acht Picknicker mit Lust auf Hände voller Fleisch. Die besten Jahre. Für die Halbstarken auf der Mauer fängt das alles erst an.

Diesen Frühling wird die Sonne schon wieder zurück kommen. Eine neue Chance, im Park ein paar Münzen zu sammeln. Selbst, wenn es nur das ist.