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Zugfahrt nach Italien. Die letzten warmen Sommertage.

›Beinahe verpasst‹ wäre dramatisierend. Aber ich musste mich dann doch noch einmal vergegenwärtigen, mich zu sputen. Die Türen schließen eine Minute vor Abfahrt. Bin ich so nicht gewohnt von Deutschland. Ebenso ungewohnt ist aber auch das gesamte Stationssystem des FRECCIAROSSA. Zumindest in Bologna, wo ich aus meinen Bummel-EC aus München in den krebsroten italienischen Schnellzug steige. Mit der Rolltreppe geht es von den oberirdischen Bahnsteigen zuerst zum Tunnel, der alle Gleise verbindet und dann weiter abwärts – zur Parkgarage. Nur um dann nochmal mit der Rolltreppe in ein unterirdisches Geheimkontrollzentrum zu gelangen, das mit seiner blutroten Anzeigetafel wie der Vorhof einer James-Bond-Bösewicht-Hölle ausschaut. Besagte Anzeige verrät mir aber mein Gleis und dass ich den Zug nach Neapel nehmen muss. (Ich ging fälschlicherweise vom zentralistischen Paris-Prinzip aus und erinnerte mich zudem vage an das Sprüchlein, worin alle Wege nach Rom führen und suchte den Namen der Stadt vergeblich auf den blickenden Bildschirmen.)
Also nach Neapel und – als wäre das in diesem betonierten Antagonistenbunker nicht ohnehin selbstverständlich – geht es zum Zug noch einmal eine Rolltreppe nach unten. Da muss man erst einmal drauf kommen.
Gefühlte 3 Kilometer unterhalb der Stadt steige ich ihn den FRECCIAROSSA und fühle mich vom Design ein klein wenig an den Shinkansen aus dem fantastischen Comicstyle-Krimi ›Bullet Train‹ mit Brad Pitt erinnert. Alles ist so edel und glossy. Eine ampulische Grandezza-Antipode des Deutsche-Bahn-ICE.
Im Gegensatz zum Hollywood-Pendant bringt mir die Fahrt zwar keine todbringende Schlägerei, dafür hunderte Kilometer Tunnelfahrt mit über 200 Sachen. Wir durchkreuzen den Apennin.
Ein feuerroter Hyperloop, quasi. Nur, dass es anstelle Starbuckskaffee richtigen italienischen Espresso gibt.